Revista VICE shkruan për aktivitetet e diasporës në Zvicër
Revista VICE ka shkruar për aktivitet e diasporës shqiptare në Zvicër. Ky është artikulli i plotë i shkruar nga gazetari PHILIPPE STALDER.
“Nur wer seine eigene Kultur kennt und wertschätzt, kann den Wert einer anderen Kultur überhaupt erkennen.”
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Am Samstagabend zu traditioneller Musik in einem Trachtenkostüm Volkstänze aufzuführen, gilt in der Schweiz nicht gerade als Inbegriff für Coolness. Gerade urbane Schweizer scheinen ein besonders angespanntes Verhältnis zu ländlichen Traditionen zu pflegen. Vereine, in denen lokale Traditionen kultiviert werden, veraltern und werden oft als Hort rechts-konservativen Gedankenguts verschrien. Wieso ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man sich als moderner, aufgeschlossener und weltoffener Bürger dieses Landes von seinem kulturellen Erbe distanzieren, ja es fast schon verleugnen muss?
Mit dieser Frage im Kopf begebe ich mich in den Festsaal des Restaurant Salmen in Schlieren, etwas ausserhalb der Stadt Zürich. Anlässlich zum neunten kosovarischen Unabhängigkeitstag, zelebriert hier die albanische Gemeinschaft ihr kulturelles Erbe in der Diaspora – mit einem Selbstverständnis, das seinesgleichen sucht. Vereinsmitglieder aus allen Generationen führen in Trachten gekleidet gemeinsam zu traditioneller Musik Volkstänze auf.
Anwesend sind neben den Familien der Vereinsmitglieder auch der kosovarische, albanische und mazedonische Botschafter. Ich habe mit Vereinsmitgliedern verschiedener Generationen darüber gesprochen, welchen Stellenwert für sie Tradition in dieser modernen Welt hat, welche Rolle das kulturelle Erbe im Integrationsprozess spielt und was sie vom verkorksten Nationalbewusstsein der Schweiz halten:
Qendrim, 18, und Samir, 17
VICE: Was halten eure Freunde davon, dass ihr am Samstagabend in Trachten zu traditioneller Musik Volkstänze vorführt?
Samir: Einige meiner Freunde haben mich schon komisch angeschaut, als ich ihnen davon erzählt habe, aber für mich ist es ein Teil meiner Kultur, den ich auch gerne auslebe.
Freunde aus der kosovarischen Gemeinschaft?
Samir: Nein, die haben eigentlich grosses Verständnis. Es sind eher Schulfreunde mit anderen kulturellen Hintergründen.
Was haltet ihr davon, dass Jugendliche aus anderen Kulturen ihre Traditionen nicht mit demselben Selbstverständnis feiern können?
Samir: Es ist voll schade, dass die das nicht so ausleben können. Wir Albaner haben einen sehr starken Zusammenhalt, unabhängig von der Religion oder von der Nationalität. Es gibt praktisch in jedem Kanton einen kosovarischen Kulturverein.
Qendrim: Ich habe den Eindruck, dass Schweizer untereinander weniger stark verbunden sind, sie haben einen schwächeren Zusammenhalt.
Samir: Es wird schneller akzeptiert, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund so etwas Traditionelles machen, als wenn Schweizer in eine Volkstanzgruppe gehen.
Was denkt ihr, woran liegt das?
Samir: Am kulturellen Selbstverständnis. Wir machen das mit Stolz und zeigen das auch gerne.
Ihr seid in der Schweiz geborene Kinder kosovarischer Einwanderer. Als was identifiziert ihr euch selbst?
Qendrim: Ich bin ein stolzer Schweizer, mit stolzen albanischen Wurzeln. Ich bin glücklich, hier aufgewachsen zu sein, aber ich bin mir schon auch meinen albanischen Wurzeln bewusst. Ich lebe das Gute aus beiden Kulturen.
Für wen seid ihr, wenn Albanien gegen die Schweiz spielt?
Samir: Für beide Teams, da können wir nur gewinnen!
Was könnte die Schweizer Kultur von der albanischen lernen? Und umgekehrt?
Qendrim: Die Schweizer könnten sich eine Scheibe vom Zusammenhalt der Albaner abschneiden.
Samir: Genau, und wir nehmen die Familie ernster. Die Shippis hingegen sollten von den Schweizern die Neutralität übernehmen.
Qendrim: Aber deswegen sind wir doch gerade so verbunden, weil wir eben nicht neutral sind und gelernt haben, Position zu beziehen. Dafür schätze ich an der Schweizer Kultur die Organisation und die Pünktlichkeit.
Albulena, 23
VICE: Du bist die Choreografin der Trachtentanzgruppe des kosovarischen Kulturvereins Dardania. Welchen Stellenwert hat für dich Tradition in unserer modernen Welt?
Albulena: Für mich hat Tradition in dieser modernen Welt einen sehr hohen Stellenwert, ich selber lebe sehr nostalgisch. Gerade im Zusammenhang mit Integration finde ich es wichtig, die eigenen Wurzeln zu kennen. Nur wer seine eigene Kultur kennt und wertschätzt, kann den Wert einer anderen Kultur überhaupt erkennen.
Welchen Bezug hast du zur Schweizer Kultur?
Ich bin ja hier aufgewachsen und in die Schule gegangen, weswegen ich ziemlich früh angefangen hatte, meinen eigenen Wurzeln nachzugehen. Dabei habe ich mich zudem mit der Schweizer Tradition auseinandergesetzt. So habe ich auch eine Schweizer Arbeitstracht zu Hause. Das Interesse für das Eine ergibt sich aus dem Anderen.
Wie war es für dich zu merken, dass du von zwei Kulturen geprägt bist?
Als Kind ist man sich darüber noch nicht so bewusst. Du gehst einfach in den Verein, es ist ein Hobby. Irgendwann im Verlaufe der Zeit versuchst du, von beiden Kulturen die Vorteile herauszuziehen, beziehungsweise beiden Kulturen gerecht zu werden. Man muss sich psychisch quasi umziehen, um allen Regeln einer Kultur gerecht zu werden.
Was meinst du mit psychisch umziehen?
Je nachdem, ob ich am Schalter der Einwohnerkontrolle arbeite, oder ob ich in der Familie meines Mannes die Braut repräsentiere, muss ich zwei unterschiedliche Rollen einnehmen, die sich durch Kleidungsregeln und Sprachgebrauch unterschieden. Das sind zwei verschiedene Persönlichkeiten. Ich habe mittlerweile gelernt, die Vorteile von beiden Rollen auszuleben.
Ist es schwierig, von der einen Rolle zur anderen zu wechseln?
Für mich persönlich ist es sehr einfach, wobei ich denke, dass es für viele Leute schwieriger sein dürfte. In meinen zehn Jahren Erfahrung als Choreografin bemerkte ich, dass es vor allem für die junge Generation sehr schwierig ist, einen Mittelweg zu finden. Die sprechen zum Beispiel oft beide Sprachen gleichzeitig und verwechseln dabei die Wörter.
Wie definierst du deine persönliche Identität?
Das ist eine schwierige Frage. Ich denke weder nur in Albanisch noch ausschliesslich in Deutsch. Zuhause bin ich aber in der Schweiz, obwohl ich auch im Kosovo ein Zuhause habe.
Im Vergleich zu anderen Ländern, tut sich die Schweiz eher schwer damit, die Kinder von Einwanderern als Schweizer zu akzeptieren. Wo steht die albanische Gemeinschaft in diesem Integrationsprozess?
Das mag eine etwas konservative Haltung sein, aber ich denke, die Schweiz wird auch von vielen Einwanderern gerade deswegen wertgeschätzt, weil sie so zurückhaltend ist. Viele Schweizer Eigenschaften gehen verloren, indem man vielleicht etwas zu offen gegenüber Neuem ist. Ich kann die Bedenken von Schweizern nachvollziehen, die den Eindruck haben, dass die Schweizer Kultur verloren geht. Im Vergleich zu vor fünfzehn Jahren sind die Leute mittlerweile schon ziemlich offen. Einige ältere Leute haben zwar noch Mühe damit, dass eine Frau Kqiku ihre ID auf der Einwohnerkontrolle beantragt. Den Jungen fällt das aber gar nicht mehr auf. Das ist jetzt noch die letzte Generation, der wir Albaner noch so fremd sind.
Die Kinder schauen zu dir als Choreografin auf. Welche Werte versuchst du ihnen in dieser Position zu vermitteln?
Ich möchte ihnen genau das vermitteln, was ich selber auch auslebe, nämlich beide Kulturen. Ich ziehe nicht die eine der anderen vor. Ich erkläre ihnen, dass es wichtig ist, beide Kulturen richtig kennenzulernen. Oft macht man einen falschen Schritt, weil man gar nicht genau weiss, was eine Kultur ausmacht. Mir ist wichtig, dass die Kinder nicht nur auf Albanisch bitte und danke sagen können, sondern auch auf Deutsch. Deswegen sprechen wir im Verein auch beide Sprachen.
Was denkst du, wieso fehlt den Schweizer Jugendlichen der Bezug zu ihrer Tradition?
Wenn du in der Schule ein Shirt der Schweizer Nationalmannschaft trägst, läufst du Gefahr, als ausländerfeindlich beschimpft zu werden, nur weil du die Schweiz repräsentiert. Deswegen denke ich weniger, dass die Kids das uncool finden, sondern dass sie Angst davor haben, abgestempelt zu werden. Ich habe einmal eine Gruppe Jugendlicher gefragt, woher sie kommen. Dann sagte einer, er sei Schweizer, aber ein Achtel Italiener. Der hatte das Bedürfnis, stark zu betonen, dass er nicht 100 Prozent Schweizer ist. Ich fand das voll schade.
Was denkst du, woran liegt das?
Wahrscheinlich sind noch nicht genug Brücken zwischen ausländischen und Schweizer Gemeinschaften gebaut worden. Es fehlt noch am gegenseitigen Respekt. Auch von den Schweizern, die sich fragen, wieso wir in diesem Land unbedingt albanische Tänze lernen sollen. Umgekehrt denken auch einige Ausländer, dass Schweizer, die ihre Traditionen feiern, Nazis sind. Das gegenseitige Verständnis hat sich noch nicht stark genug entwickelt.
Wie könnten solche Brücken aussehen?
Unser Verein besucht zum Beispiel ab und zu den Zürcher Trachtenverein und wir tauschen uns mit denen aus. Solchen Austausch zwischen den Gemeinschaften müsste es viel mehr geben, damit Berührungsängste abgebaut werden können. Für mich ist das aber nur eine Frage der Zeit. Die Italiener werden schon lange nicht mehr so als Ausländer wahrgenommen wie früher. Das kommt dann irgendwann.
Dhurata, 14
VICE: Was bedeutet dir deine Tradition?
Dhurata: Es ist wichtig, dass die junge Generation die Tradition der Eltern weiterführt. Für mich ist es selbstverständlich, das zu tun.
Warum ist das wichtig für dich?
Damit meine Kinder auch noch etwas davon haben werden.
Was hältst du davon, dass Volkstänze und Trachtenvereine bei Schweizer Jugendlichen nicht so beliebt sind?
Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was ich dazu sagen soll. Das ist deren Sache. Mich persönlich interessiert es nicht, was andere denken.
Ist es ein Problem, dass die Schweizer Jugend ihre Tradition nicht so bewusst ausführt?
Ja, das ist doch schade.
Musli Lecaj, 52
VICE: Ihre Tanzgruppe hat auf der Bühne eben eine Hochzeit inszeniert. Können sie sich noch an ihre Hochzeit erinnern?
Musli: Ja klar, ich hatte damals noch im Kosovo geheiratet, das war ein unbeschreibliches Gefühl. Sowas kann man nur verstehen, wenn man es selbst erlebt hat.
Sie sind ein Musiker in der Gruppe, welche Instrumente spielen sie?
Die albanische Flöte Fyell sowie die Langhalslauten Çiftelia und Sharki. Das habe ich bereits bereits als Kind gelernt. Ich lehre das Musizieren auch meinen Kindern.
Woher haben Sie ihr Kostüm?
Das hat meine Mutter von Hand gemacht. Andere bestellen es auch direkt im Kosovo.
Was können die Schweizer und die kosovarische Kultur voneinander lernen?
Vieles. Jedes Volk kann von anderen lernen. Wir Gastarbeiter haben viel von den Schweizern gelernt und auch die Schweizer konnten viel von uns lernen. Die Jungen gehen nun gemeinsam in die Schule, die lernen auch voneinander.